Der Fall Barschel – Gedanken zu Politik und Staatsgeheimnissen, zu öffentlicher Täuschung

Alles Täuschung“, dieser Satz fällt unter 2 Journalisten nach 1:50 Std. im knapp 3 Stunden dauernden Fernsehfilm „Der Fall Barschel“.

2 weitere Szenen finde ich auch erwähnenswert; die ausgelassene Feierstimmung der Redaktion und der verantwortlichen Journalisten beim Rücktritt Uwe Barschels (CDU) und beim Rücktritt Björn Engholms (SPD), beide traten vom Amt des Ministerpräsidenten des Bundeslandes Schleswig Holsteins zurück.

Der Erstgenannte trat am 02. Oktober 1987 zurück. Am 11. Oktober 1987 wurde er tot im Hotelzimmer 317 des Genfer Hotels „Beau Rivage“ aufgefunden.

Der letztgenannte Engholm trat am 3. Mai 1993, durch neue öffentlich gewordene Ungereimtheiten in der Barschel-Affäre, zurück. Das versaute ihm nebenbei noch die möglich gewordene Kanzlerkandidatur für die SPD bei der BT-Wahl 1994.

In beiden Szenen fühlen sich die Journalisten als Aufklärer, die dem deutschen Volk zwei Politiker ersparen konnten, die alles andere als „integer“ waren.

„Integer“ bedeutet in dem Zusammenhang für mich persönlich nur noch, sie wurden „erwischt“, obwohl sie tatsächlich damals alles, fast alles unternahmen, um „nicht erwischt“ zu werden.

Zu einem viel späteren Zeitpunkt wird dem Zuschauer der Tod Olof Palmes, dem ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten, der 1986 erschossen wurde, in Erinnerung gerufen. Sein Tod ist möglicherweise nicht wirklich aufgeklärt worden und könnte im Zusammenhang mit illegalen Waffenlieferung schwedischer Waffenhersteller an die damalige „DDR“ und in den Iran stehen. Die Palme stoppte, danach wurde Herr Palme gestoppt, eine Kausalität wurde „offiziell“ nie festgestellt.

Der Film befasst sich mit den vielen Theorien und Vermutungen, die durch die Ungewissheit entstanden sind, ob Uwe Barschel sich selbst das Leben nahm, oder ob er ermordet wurde, weil er in einem Netz von internationalem Waffenhandel verstrickt war und von, teils in der Öffentlichkeit stehenden, anderen Mitwissern beseitigt wurde, bzw. die sein dauerhaftes Schweigen herbeiführen ließen.

Zugleich führt der Film in eine Welt voller Paranoia, Wahrheiten, Halbwahrheiten, Lügen, Spuren, falschen Spuren, zu Personen, die zum Teil mehr als nur dubios und zwielichtig erscheinen, die vorgeben etwas zu wissen, vielleicht dann doch nur falsche Spuren als Kreislauf konzipiert, legen, wiederum von anderen Protagonisten gelenkt wurden, eine Welt, die das Privatleben des „Aufklärers“ nachhaltig beeinflusst, ihn aus der Bahn wirft, ihn beruflich diskreditieren soll.

Eine Welt von Verrat und Täuschung, in der das Wirken von Geheimdiensten nur erahnt werden kann, als sichtbares Zeichen meist nur Tote hinterlässt und weiteren Spekulationen weitläufigen Raum gibt.

„Ist ja nur ein Film“, so sagten früher meine Eltern, wenn wir gemeinsam einen ähnlich thematisierten Film anschauten. Die Welt war nicht so schlecht, vermutlich glaubten das meine Eltern, damals vor mehr als 45 Jahren, wirklich. Ihrem Sohn wollten Sie wohl vermitteln, er müsse keine Angst vor der Welt haben.

Hatte der auch nicht, als Kind nicht, als Heranwachsender nicht, das kam später, nicht in Form von körperlichen oder seelischen Ängsten.

In einer Form, die immer mehr Ablehnung gegen PolitikerInnen, gegen das anonyme Gebilde „Staat“ produzierte.

Gegen die ständigen Versuche der vielfältigen und immer feiner gewordenen Beeinflussungsmöglichkeiten in einer immer technischeren und bürokratisch gewordenen Welt, der man sich als Individuum nicht mehr entziehen kann.

Ablehnung gegen eine ungebremste Flut von immer neuen Gesetzen, deren Novellierungen, erweiterten Durchführungsbestimmungen, Vorschriften und Erlasse, bis die Bürger gar keine Luft mehr zum Atmen haben und nicht mehr verstehen, sich nicht mehr, ohne sehr teure „Hilfe durch Rechtskundige“ zurechtfinden.

Ein System in dem das „Recht bekommen“ sukzessive fast unmöglich gemacht wurde

Ablehnung gegenüber einem System, das lügt, betrügt und vertuscht, weil es genau die Dinge tut, die es nicht tun darf, aber trotzdem tut, weil die „Interessen der Bundesrepublik Deutschland gewahrt werden“ mussten und müssen.

Die Interessen der BR. Wer ist das, diese Bundesrepublik Deutschland? Das sind wir alle, nach meinem Selbstverständnis von Politik und dem Studium des Grundgesetzes.

Wer bestimmt, was die Interessen der BR sind? Eben nicht dieser „Souverän“, der Pensionen und Auskommen einiger weniger Parteienvertreter, mittels seines ausgeübten Stimmrechts verteilt und sonst nichts, gar nichts zu melden hat!

Sondern Politiker, Beamte, gewinnorientierte Vorstände aller möglichen Konzerne. Stiftungen, deren Gründung nicht nur Steuern dem Allgemeinwesen entziehen, sondern ihre ureigensten Interessen mittels dieser gesetzlich „ersparten“ Steuern durchsetzen können.

Dazu noch Geheimdienstpräsidenten mit viel zu viel einseitig begabtem Personal.

Die mittels dieser unzähligen, einschlägigen und mit Bedacht „schwammig“ formulierten Gesetze, dem Grundgesetz eben dieser Bundesrepublik Deutschland, die Interessen dieses Landes, seiner Bürger in ganz eigennütziger Weise interpretieren und formulieren.

Die keinen Gedanken an sonstige ethische, moralische und humane Grundsätze, die den Menschen vom Tier unterscheiden sollen, verschwenden.

Also „de jure“ die Gesetze, aber „de facto“ Menschen, manche öffentlich bekannt, viele weniger bekannt und ganz wenige, aber dafür sehr mächtige Personen, gar nicht bekannt.

Schlussendlich Patrioten, natürlich! Wobei für mich Patriotismus die allerletzte Ausrede eines jeden Schurken ist.

Ein demokratisch verfasster Staat, in dem seine Bürger der Souverän sind, wird benutzt, manipuliert, begeht strafwürdige Verbrechen, weil es den „Interessen“ dieses Staates dienen soll. Was wann, wie tatsächlich passierte wird „geheim gehalten“.

Noch nicht einmal Bundes- und Landtagsabgeordnete werden umfassend informiert.

Weil das „geheim“ ist. Eine perfekte „carte blanche“ für jede Sauerei, für jeden Gesetzesbrecher mit Geheimdienstausweis, für jeden „Patrioten“ und „Geschäftemacher“ der sich hinter dieser unüberwindlichen Mauer gesetzlich verankerten Schweigens verstecken darf.

Die „Omerta“ italienischer Mafiavereinigungen und anderer Krimineller aus dem Bereich „Organisierte Kriminalität“ stellt nichts anderes dar. Nur das deren „Gesetze“ von den staatlichen Strafgesetzbüchern nicht anerkannt werden. Aus gutem Grund.

Warum erlauben wir dann geheimdienstlich organisierte und verschleierte Kriminalität?

Warum erlauben wir staatliche Hilfestellung bei Durchführung und Vertuschung von Straftaten, gedeckt durch PolitikerInnen, initiiert durch Waffenproduzenten und anderen Konzernen.

  • Die anderen tun das doch auch. (Ja, alles klar, da können wir es uns keinesfalls leisten zu fehlen!)

  • Wenn wir es nicht tun, dann verdienen die anderen das Geld,das eigentlich unseren Anteilseignern zusteht (Stimmt, und den ausländischen Kapitalmehrern, Verzeihung: Vermögensverwaltern).

  • Es geht ja auch um die Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland. (In 2011 waren es, lt. SVI (Sicherheits- und Verteidigungsindustrie) direkt und indirekt 317 Tsd. Arbeitsplätze – bei 80 Mio. Einwohnern und ca. 13 Mio. prekär Beschäftigten bzw. JobCenter-Sklaven)

  • Durch Waffenexporte und andere Geräte, Chemikalien, Anlagen sichert sich Deutschland Einfluss in allen Gebieten dieser Welt. (Unbedingt, wie im Irak, Iran, Syrien, Mexiko, Kolumbien, Pakistan, Indien, China)

  • Wir verbinden Geschäfte und gesicherten Zugang zu den Rohstoffressourcen, die wir als führende Industrienation zum Überleben benötigen (Und die anderen, die keine Waffen produzieren können, die nicht mal genug zum Beißen haben?)

  • Es liegt nicht in der Verantwortung eines deutschen Chemiekonzerns, wenn gelieferte Substanzen mit anderweitig beschafften Chemikalien für kriegerische Zwecke genutzt werden. (Nein, Verantwortung haben wir nur gegenüber unseren Anteilseignern und der „marktkonformen Demokratie“)

  • Wir müssen auch unseren (Geschäfts-) Partnern vertrauen und können nicht jede Verpflichtungserklärung bis ins letzte Komma auf Richtigkeit und Wahrheit überprüfen. (Wir wollen das gar nicht so genau wissen!)

Diese und so viele andere „Argumente“ werden zur „Rechtfertigung“ herangezogen, mit williger Bereitschaft vom Volk, vom Souverän „geschluckt“. Verinnerlicht als logisch nachvollziehbar und völlig gerechtfertigt.

Diese Lethargie, diese bereitwillige Selbstaufgabe, dieser Glaube, mit fast schon fanatischen Zügen, ist die wirkliche Grundlage für den vorgeblichen Schutz der „Interessen der Bundesrepublik“ und seiner Auswüchse. Und bei allen anderen Staaten dieses Planeten.

Sicher braucht eine Gemeinschaft, ein Staat möglichst wirkungsvollen Schutz vor Feinden und seinen propagierten „Freunden“. Das Sammeln von nicht öffentlich zugänglichen Nachrichten, Informationen, politischen Vorhaben, Strömungen innerhalb und ausserhalb der eigenen Gesellschaft. Das geht nicht nur durch einfaches Nachfragen, das macht „schmutzige Hände“. Es führt auch zu „Gestank“.

Es ist aber etwas völlig anderes, diese Instrumente nachrichtendienstlicher Tätigkeit offensiv einzusetzen, ihre ursprüngliche Bestimmung zu verändern, das Tätigkeitsfeld auszudehnen, bis zur Unkenntlichkeit zu verändern.

Deshalb „man“, in einem Automatismus gefangen, gezwungen ist, den entstandenen „Dreck“ sorgsam zu verbergen.

Dadurch das Lügen und Betrügen, als den Zweck, der die Mittel heiligt, zum einzigen wirkungsvollen Instrument zu erheben, fest zu betonieren.

Um einen Schein zu wahren, wozu? Die Protagonisten glauben doch sowie nicht an die Kraft von Gesetzen, von Moral und Anstand.

Taten sie nie, sonst wären sie nicht das geworden, was sie sind.

„Die Zeiten ändern sich“ – „Nein, nur wenige Menschen verschieben immer wieder die Regeln, dehnen die Gesetzte, die Moral, den Anstand zu ihrem Vorteil. Immer ein wenig mehr“.

Und nur die „Gläubigen“ benutzen die „geänderten Zeiten“ als immerwährende Ausrede, sich nicht mit dem Unangenehmen auseinander setzen zu müssen.

Obwohl das alles keine physikalischen Gesetzmäßigkeiten sind.

Der Film „Der Fall Barschel“ endet mit einem gesprochenen Text, der das ganze Ausmaß unserer gesellschaftlichen Versagens deutlich macht:

„Kollegen, ich habe einen Fehler gemacht.

Ich hab‘ dem vertraut, was offensichtlich schien. Offensichtlich schien, das wir in einer Demokratie leben, die den Willen ihrer Bürger achtet und respektiert. Offensichtlich schien, das Einzelne sich verfehlen, die aber hier das ganze System…..

Offensichtlich schien, das wir in einem System von Unschuld und Sicherheit leben, aber die Wahrheit ist eben nie offensichtlich.

Manchmal braucht’s auch Phantasie, um sie zu entdecken.“

Als letzten geschriebenen Mahnruf endet er mit den Worten:

Der BND verweigert bis heute die Akteneinsicht.“

3 Kommentare

  1. Ich hab den Film vor einigen Tagen nicht gesehen. Ob ich ihn mir angesehen hätte, wenn ich den Ausstrahlungstermin parat gehabt hätte, weiß ich nicht. Ich möchte mich am liebsten mit nichts von dem, was du in obigem Text schreibst auseinander setzten. Es ist ja auch viel leichter, die Augen zuzumachen und das Denken anderen zu überlassen. Klappt nur nicht und deshalb bleibt das dumpfe Hintergrund Grummeln wenn die Themen angesprochen werden und man äußert sich dann doch dazu, weil es sich mit geschlossenen Augen schlecht durchs Leben gehen lässt. Besser fühlt sich das dann aber auch nicht an, weil reden und denken im ersten Moment auch nichts ändert. Man sollte es tunlichst dennoch tun und zum Beispiel darüber schreiben. Auch dein zweiter Text, den ich gelesen habe hallt nach. Das soll er auch.
    Liebe, nachdenkliche Grüße

    1. Liebe Mitzi,
      danke für Deinen Kommentar.
      Nachdenklichkeit und ein „Nachhallen“, das möchte ich wirklich bei meinen Lesern erreichen. Die Welt werde ich nicht ändern. Das kann nur durch den Willen einer Mehrheit geschehen.

      Volker Pispers, ein grandioser politischer Kabarettist sagte mal: „Wenn dereinst der Kapitalismus zusammenbricht und sie (sein Publikum) gefragt werden, was sie in diesem Schweinesystem namens Kapitalismus gemacht haben, dann können sie den großen Karton mit den Kabarett-Eintrittskarten hervor holen und sagen: „Ich war im Widerstand“.

      Ich habe keine Eintrittskarten, aber vielleicht wird der Verweis auf dieses bescheidene Blog meine „Zugehörigkeit zum Widerstand“ belegen können. 🙂
      Ich will nicht mehr „mein Maul halten“. Ich will und kann auch nicht „missionieren“. Nur schreiben, was „schief läuft“. Ich versuche mein Anliegen auch ein wenig „locker“ zu gestalten. Wird bestimmt nicht immer so „’rüber kommen“.

      Weil ich nicht ausschließlich in diesem „Tal der Tränen menschlicher Auswüchse“ unterwegs sein will und kann, sind mir Deine Texte, dein Blog ebenso wichtig geworden. Denn Du konzentrierst Dich auf andere, ebenso wichtige Facetten des menschlichen Lebens, begegnest ihnen kritisch und mit Humor, examinierst und interpretierst auf unterhaltsame Weise, die auch zu Nachdenklichkeit führt.

      Und doch fischen wir beide (und viele andere Blogger/Schreiber) immer im gleichen „Gewässer“: „Dem Leben und den Menschen.“ Jeder auf seine Weise. Und das ist gut so.

      Eine schöne, gute, erlebnisreiche und zufriedene Woche, wünscht Dir, „Alles nur Satire“

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